Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Demokratie und Recht + Mitzeichnende: Gazi Freitag, Konstantin v. Notz, Jörn Pohl, Jan Kürschner, Malte Krüger (dort beschlossen am: 02.04.2024) |
Status: | Abstimmung |
Abstimmungsergebnis: | Einstimmig angenommen |
Antragshistorie: | Version 3 |
A15NEU (Ä2,3): Demokratie verteidigen – alle Instrumente nutzen!
Antragstext
Unsere Demokratie ist in Gefahr. Rechtsextremist*innen und Rechtspopulist*innen
wollen sie zerstören. Die AfD radikalisiert sich immer stärker, Umsturz- und
Deportationsfantasien werden zunehmend versucht, politisch tatsächlich
umzusetzen. Auch über die sozialen Netzwerke bewusst vorgenommene
Diskursverschiebungen finden Widerhall: Das Unsagbare wird mehr und mehr, auch
für erschreckend große Teile der Mitte der Gesellschaft, sagbar. Aus Worten
werden zunehmend auch Taten: Schon jetzt gehören rassistische und antisemitische
Übergriffe für viele Menschen - auch in Schleswig-Holstein - längst zum Alltag.
Rechtsextremist*innen schüren Angst, verbreiten Hass und Hetze, bis hin zu
strafbaren Äußerungen. Sie diskreditieren rechtsstaatliche Institutionen,
stellen die freiheitlich demokratische Grundordnung offen in Frage und wollen
unsere Demokratie gänzlich abschaffen. Sie bedrohen unsere Freiheit, sie wollen
Minderheiten- und Oppositionsrechte angreifen und einschränken. Deshalb müssen
wir unsere Demokratie mit allen Kräften verteidigen.
Dazu braucht es die Stimmen aller Demokrat*innen und eine starke
Zivilgesellschaft: Alle sind aufgefordert, jetzt sichtbar und hörbar Haltung zu
zeigen. Im Netz, auf der Straße, bei der Wohnungssuche, in der Schule, bei der
Arbeit, in der Familie: Wir müssen zusammenstehen, und Hass und Hetze die Stirn
bieten.
Demokratie ist eine Form der Gemeinschaft, die miteinander gestaltet, anstatt
Einzelne oder Gruppen auszuschließen. Sie ist nicht selbstverständlich, sondern
muss jeden Tag aufs Neue gelebt und ausgehandelt werden. Demokratisch Handeln
bedeutet, alle Menschen als gleichwertig zu betrachten, zu hören, den Dialog zu
suchen, inhaltlich zu ringen und Kompromisse auszuhandeln.
Unsere liberale Demokratie ist eine historische Errungenschaft, die uns wehrhaft
vor den Feind*innen der demokratischen Ordnung schützt, die auf der Würde aller
Menschen gründet und deshalb auch, und gerade in Krisen, alle Menschen mitdenkt.
Unsere Überzeugungen von Liberalität, Zukunftssicherheit, Menschenwürde und
demokratischer Wehrhaftigkeit basieren auf einem Grundgesetz, das uns nicht nur
verpflichtet, Sicherheit zu organisieren, sondern das uns hierbei auch konkret
leitet. Die Würde des Menschen aus Art. 1 Abs. 1 GG zu achten und zu
verteidigen, muss Kern aller Politik sein.
Schutz vor Demokratiefeindlichkeit – für eine offene Gesellschaft!
Die größte Bedrohung für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus. Dabei
beobachten wir seit vielen Jahren eine Entgrenzung: Verfassungsfeindliche
Einstellungen sind in Teilen der Gesellschaft verbreitet und kein Phänomen eines
definierbaren Randmilieus. Doch längst verharren extrem rechte Einstellungen
nicht mehr in den eigentlichen rechtsextremistischen Strukturen, sondern
organisieren und artikulieren sich immer sichtbarer: Reichsbürger*innen,
völkische Siedler*innen, Querdenker*innen, die AfD, die Junge Alternative, die
Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die AfD ist längst zum parlamentarischen Arm des
Rechtsextremismus geworden – auf kommunaler wie auf Landes- und Bundesebene.
Dabei zielt rechtsextremistische Ideologie bewusst auf das Zerstören von
Vertrauen: Während rechtsextremer Terror und rechtsextreme Netzwerke die
Institutionen der Demokratie angreifen, bedrohen Rassismus und
Menschenfeindlichkeit Menschen in ihrem Alltag. AfD und andere
Rechtspopulist*innen versuchen bei jeder Gelegenheit, das Unsicherheitsgefühl
der Menschen zu adressieren. Dem stellen wir uns entschlossen entgegen.
Auf allen Ebenen wehrhaft sein
Viele Menschen in Schleswig-Holstein gehen immer wieder auf die Straße, um sich
gegen diese Entwicklungen zu wehren. Wir wollen alle Anstrengungen unternehmen,
um für unsere Demokratie zu kämpfen und sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln
zu verteidigen. Dabei geht es immer um ein Zusammenspiel von Politik,
Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden.
Um wirksam gegen rechtsextreme Ideologien vorzugehen, stärken wir
zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus,
den Kampf gegen Antisemitismus, wir stärken politische Bildung, die Arbeit der
Gedenkstätten und wir stellen Schleswig-Holstein rassismuskritisch auf.
Wir setzen uns dafür ein, dass im Bund und im Land die notwendigen rechtlichen
Voraussetzungen geschaffen werden, um unsere Bemühungen zur Demokratieförderung
und Antidiskriminierungsarbeit noch weiter zu stärken.
Alle Instrumente der wehrhaften Demokratie in den Blick nehmen
Die zunehmende Radikalisierung der AfD ist vor dem Hintergrund der Wahlprognosen
eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie . Anfang des Jahres hat das
Recherchemedium Correctiv ein Treffen von AfD-Mitgliedern und anderen
Rechtsextremist*innen aufgedeckt, aber dieses Treffen ist kein Einzelfall. Immer
wieder treffen sich Rechtsextremist*innen, um Strategien zur konkreten Umsetzung
ihrer menschenverachtenden Ziele und Vorhaben zu entwickeln. Die Verstrickungen
zwischen der AfD und rechtsextremen, teils gewaltbereiten Personen und
Strukturen werden immer sichtbarer. Die bekannt gewordenen Pläne und zahlreichen
Äußerungen von Funktionär*innen und Parteimitgliedern sind rassistisch,
demokratiefeindlich und verfassungswidrig.
Die Demonstrationen gegen das Erstarken des Rechtsrucks in den vergangenen
Wochen haben gezeigt, dass die Mehrheit in unserem Land für Toleranz, Vielfalt
und Demokratie steht. Viele Menschen haben zum ersten Mal in ihrem Leben
demonstriert. Es haben sich breite Bündnisse gebildet, z.B. in der Wirtschaft
und im Sport. Es wurde zu spontanen Kundgebungen und Demos in großen und kleinen
Orten aufgerufen. Wir alle haben deutlich gezeigt, dass wir gemeinsam die
Brandmauer sind und unsere Demokratie entschlossen verteidigen.
In Umfragen für die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im
Herbst diesen Jahres liegt die AfD mit rund 30 Prozent vorn. Und das, obwohl die
AfD Landesverbände von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom
Verfassungsschutz bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurden
und die Brandenburger AfD ebenfalls als rechtsextremistischer Verdachtsfall
eingestuft ist.
Es ist wichtig, dass wir alle Instrumente der wehrhaften Demokratie und unseres
Rechtsstaats gegen die Feind*innen unserer Verfassung nutzen. Ein Baustein kann
sein, ihnen ihre finanziellen Mittel zu streichen. Dafür wollen wir, sofern
rechtliche Möglichkeiten bestehen, die Förderung durch öffentliche Gelder an die
AfD und AfD-nahe Vereine sowie ihr nahestehende Stiftungen verhindern. Wir
müssen die Finanzierung von rechtsextremen Strukturen austrocknen, denn so
schwächen wir ihre Bildungs- und Vernetzungsarbeit. Rechtsextreme Finanzströme
müssen stärker als bisher aufgeklärt und verfolgt werden.
Um unsere Demokratie zu schützen, ist es erforderlich, dass wir
Verfassungsfeind*innen konsequent entwaffnen. Wir haben in diesem Bereich gute
Rahmenbedingungen geschaffen, die wir jetzt entschlossen anwenden und umsetzen
werden.
Mit der Reform des Bundesdisziplinarrechtes sind wir einen Schritt weiter beim
Schutz unseres Rechtsstaates. Wir zeigen, dass wir keine Rechtsextremist*innen
im öffentlichen Dienst dulden. Auch auf Landesebene wollen wir das
Disziplinarrecht dementsprechend ändern.
Die Wehrhaftigkeit unserer Verfassungsorgane auf Landes- und Bundesebene wollen
wir stärken und werden hierzu nötigenfalls entsprechende gesetzliche Änderungen
auf den Weg bringen. Hierbei fordern wir auch, notwendige Änderungen des
Grundgesetzes vorzunehmen.
Politische Bildung gegen Rechtsextremismus stärken
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein bekräftigen die Forderungen der
Beschlüsse „Politische Bildung in Schleswig-Holstein stärken“ des
Landesparteitages aus November 2019 und „Verschwörungserzählungen keine
Plattform bieten!“ aus Januar 2020. Unser Fokus muss unverändert auch auf der
inhaltlichen Arbeit gegen Rechtsextremismus liegen. Eine stabile
Zivilgesellschaft mit starken Initiativen gegen Rechtsextremismus, gute und
dauerhaft etablierte politische Bildung, die im Bildungssystem und im Alltag der
Menschen Wirkung entfaltet sowie eine lebendige und vielfältige Demokratie sind
die Grundpfeiler dieser Arbeit.
Um langfristig etwas gegen Rechtsextremismus, Desinformation, Fake News und
Verschwörungserzählungen zu unternehmen, ist politische Bildung unersetzlich.
Denn politische Bildung ist essenziell, um kritisches Denken hinsichtlich
politischer und wissenschaftlicher Sachverhalte anzuregen. Wir betonen, dass
politische Bildung nicht nur eine Bedeutung für junge Menschen hat, sondern sich
insbesondere auch an ältere Menschen richten muss. Expert*innen sehen diese
Bevölkerungsgruppe als besonders gefährdet für Desinformationskampagnen an,
weshalb wir uns für einen stärkeren Fokus von Informationskampagnen und
Bildungsangeboten auf ältere Menschen aussprechen.
Demokratiebildung stellt die zentrale Säule der Wertebildung an Schulen dar. Wir
wollen, dass Demokratiebildung fächerübergreifend weiter gestärkt wird und
dadurch einen höheren Stellenwert bekommt. Das Erlernen von kritischem Denken
muss an Schulen und anderen Bildungsorten ein zentraler Baustein von Bildung
sein.
"Wir möchten Lehrkräfte dabei stärken, Position für Demokratie und Rechtsstaat
zu beziehen.
In Schulen muss zwar selbstverständlich eine Parteipolitisch Neutralität
herrschen, das Schulgesetz schreibt den Lehrkräften jedoch keine Neutralität
gegenüber verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Auffassungen und
Ideologien vor. Vielmehr soll auch in Schulen eine Erziehung zu Demokratie und
den Werten des Grundgesetzes erfolgen.
Um diesem Ziel gerecht zu werden, fordern wir die Grüne Landtagsfraktion als
Teil der Landesregierung auf Schulleiter*innen und Lehrer*innen in der Umsetzung
des Beutelsbacher Konsenses zu unterstützen. Diese hat bereits im Erlass zur
politischen Bildung in Schulen vom 06.07.2016 seinen Niederschlag gefunden.
Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet das Verbot Schüler*innen eine Meinung
aufzudrängen. Zudem müssen wissenschaftlich und gesellschaftlich kontroverse
Meinungen auch als solche behandelt werden. Hinzu kommt, dass Schüler*innen zum
eigenen politischen, sozialen Handeln und zum Bilden eigener kritischer
Meinungen angeregt werden sollen."
Es darf nicht nur in der Schule angesetzt werden. Vielmehr müssen für alle
Altersgruppen Angebote geschaffen werden, um politische Bildung
generationenübergreifend zu fördern und langfristig zu etablieren. Insbesondere
Stiftungen und Verbände, die sich kritisch mit Verschwörungserzählungen,
Rechtsextremismus und -populismus auseinandersetzen, müssen in ihrer Arbeit
unterstützt werden, ohne dass ihre Unabhängigkeit gefährdet wird.
Wir GRÜNE stehen gemeinsam mit allen Demokrat*innen zusammen und werden
weiterhin auf allen Ebenen eine klare Haltung für unsere Demokratie beweisen.
Auf der Straße, in den sozialen Medien, im Betrieb und in den Parlamenten, egal
ob auf kommunaler, Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene.
Gemeinsam sind wir stark im Kampf gegen Rechtsextremismus.
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