Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Bruno Hönel (KV Lübeck) |
Status: | Abstimmung |
Abstimmungsergebnis: | Einstimmig angenommen |
Antragshistorie: | Version 7 |
A19NEU (Ä1,2,3,4,5,6): Zeitenwende endlich auch finanzpolitisch umsetzen: Schuldenbremse reformieren, Investitionen vorantreiben
Antragstext
Teil I
Der Landesparteitag stellt fest:
Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und die größte
Volkswirtschaft in Europa. Im Vergleich mit anderen Industriestaaten hat
Deutschland mit aktuell ca. 64% eine niedrige Schuldenquote. Innerhalb der G7-
Staaten gibt es außer Deutschland kein Land mit einer Schuldenquote von unter
100%, Japan liegt gar bei ca. 260%, der europäische Durchschnitt bei der
Schuldenstandsquote liegt bei 83%. Im nationalen historischen Vergleich hatte
Deutschland im Jahr 2010 infolge der Finanzkrise eine Schuldenquote von über 80%
und damit eine deutlich höhere Schuldenquote als heute. Dieser Trend einer seit
2010 sinkenden Schuldenquote setzt sich aktuell fort und wird unter
konservativen Annahmen von 1% realem Wachstum und 2% Inflation pro Jahr
voraussichtlich bis 2040 auf 40% sinken, trotz der kurzen Unterbrechung durch
die fiskalische Expansion im Zuge der Corona Pandemie. Auch die Zinskosten für
10-jährige Bundesanleihen haben sich nach einem Anstieg seit Beginn des Jahres
2022 wieder abgesenkt und liegen aktuell bei knapp über 2%. In den Jahren vor
2022 waren die Zinsen gar negativ, Deutschland hat also Geld dafür bekommen,
sich Geld zu leihen. Im Vergleich mit anderen Industriestaaten kann Deutschland
sehr günstig Kredite aufnehmen. So liegen beispielsweise die Zinskosten für die
USA aktuell bei ca. 4%.
Trotz der vergleichsweise sehr soliden Staatsfinanzen und der nicht in Zweifel
gezogenen Tragfähigkeit deutscher Schulden gibt es massive Investitionsbedarfe
in die Infrastruktur, das Bildungssystem, die Digitalisierung und die
Transformation der deutschen Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität. In den
2010er-Jahren wurden die Investitionen in die deutsche Infrastruktur
vernachlässigt. Allein um den staatlichen Investitionsstau aufzuholen, müssten
nach einer Schätzung aus 2019 ca. 460 Mrd. € zusätzlich über einen Zeitraum von
10 Jahren investiert werden. Die KfW schätzte im Jahr 2022 die Bedarfe an
gesamtwirtschaftlichen Klimaschutzinvestitionen (öffentlicher und privater
Sektor) auf eine Höhe von insgesamt rund 5 Billionen EUR bis Mitte des
Jahrhunderts. Dies sind knapp 200 Mrd. EUR jährlich an gesamtwirtschaftlichen
Klimaschutzinvestitionen. Da der Anteil an staatlichen Investitionen ca. 10
Prozent beträgt, werden allein die öffentlichen Investitionsbedarfe zur
Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 auf knapp 500 Mrd. EUR
geschätzt. Öffentliche Investitionen hebeln private Investitionen und geben
Planungssicherheit. Durch die Transformation hin zur Klimaneutralität werden die
Investitionsbedarfe - zusätzlich zu denen, die bereits heute durch fehlende
Investitionen in der Vergangenheit bestehen - also noch einmal deutlich erhöht.
Die Folgen von ausbleibenden Investitionen spüren wir bereits heute. Als
Beispiel für eine marode Infrastruktur gelten neben der Deutschen Bahn und ihrem
kaputt gesparten Schienennetz auch die maroden Autobahnbrücken. Auch bei der
Digitalisierung hinken wir hinterher. Der Anteil von Glasfaseranschlüssen in
Deutschland liegt bei 10% und damit weit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten
von 41%. Außerdem gibt es weiterhin Teile Deutschlands, die über keinen oder nur
unzureichenden Mobilfunkempfang verfügen. Ähnlich verhält es sich bei den Themen
innere und äußere Sicherheit. Die Bundeswehr ist mit ihrer aktuellen Ausstattung
nur eingeschränkt einsatzbereit. Investitionen in Cybersicherheit, Polizei- und
Zollbehörden sowie die Infrastruktur der Zukunft wie Netzausbau und
Wasserstoffwirtschaft wurden systematisch vernachlässigt. Die letzten PISA-
Ergebnisse und weitere Erhebungen zur Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems
haben uns zudem ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und besorgniserregende Trends
offenbart. Verglichen mit vielen europäischen Nachbarn gibt Deutschland deutlich
weniger für Bildung aus: 5,12 % des BIP (2020) im Gegensatz zu Schweden (7,34
%), Dänemark (6,86 %) oder Belgien (6,71 %). Lägen unsere Investitionen in
Bildung auf dem schwedischen Niveau, müsste Deutschland jährlich rund 90
Milliarden Euro mehr als bisher ausgeben. Gerade Deutschland als drittgrößte
Volkswirtschaft der Welt, deren Erfolg als rohstoffarmes Land erheblich von
klugen und gut ausgebildeten Köpfen abhängt, hat investiv massiven
Nachholbedarf. Diese Liste ließe sich weiter fortführen.
Wenn wir wichtige Zukunftsinvestitionen weiterhin hinauszögern, stehen die
Resilienz unserer Gesellschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit
unserer Volkswirtschaft auf dem Spiel. Andere Länder investieren enorm in
Zukunftstechnologien, die den Wohlstand von morgen sichern. Während die
Vereinigten Staaten mit dem Inflation Reduction Act ein 369 Milliarden Dollar
schweres Innovationspaket geschnürt haben, wirkt die deutsche Schuldenbremse als
Wachstums- und Investitionsbremse mit nachhaltig negativen Auswirkungen für
unsere Wettbewerbsfähigkeit. Im internationalen Wettbewerb können wir es uns
nicht leisten, uns in der Krise prozyklisch kaputt zu sparen.
Der Staat gibt viel Geld für Subventionen aus, die seinen Zielen entgegenstehen.
Allein die Höhe an klimaschädlichen Subventionen liegt im mittleren bis hohen
zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr. Diese Subventionen fördern weiterhin
klimaschädliches Verhalten. Sie bewirken zudem, dass der CO2-Preis nicht seine
volle Wirkung entfalten kann. Es gibt aber auch weitere Fehlanreize, die ein
Umsteuern in der Steuerpolitik nötig machen. So werden Löhne und Gehälter mit
Einkommensteuer und Sozialabgaben deutlich stärker belastet als leistungsloses
Einkommen aus Kapitalerträgen, auf das nur 25% Steuer erhoben werden. Auch im
Vergleich mit anderen reichen Ländern ist die Belastung von Arbeit sehr hoch. Um
für Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite Anreize zu setzen, muss dieses
Missverhältnis verringert werden, auch in Hinblick auf den Fachkräftemangel. Da
die Erbschaftsteuer direkt in die Haushalte der Länder fließt, kommt ihr zudem
bei der Finanzierung von Investitionen auf Landesebene eine hohe Bedeutung zu.
Länder und Kommunen sehen sich mit den beschriebenen Herausforderungen in
besonderem Maße konfrontiert. Einerseits besteht eine noch größere finanzielle
Einschränkung im Vergleich zum Bund, da praktisch keine Spielräume zur
Verbesserung der Einnahmen bestehen und die Schuldenbremse den Ländern keine
Nettokreditaufnahme über konjunkturellen Schwankungen hinaus ermöglicht.
Andererseits besteht auf der Landesebene (z.B. bei der (frühkindlichen) Bildung,
bei Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, dem Schienenverkehr,
Investitionen im Gesundheitswesen und der Transformation der Wirtschaft) und der
kommunalen Ebene (z.B. Zuwanderung, Infrastruktur) besonders großer
Finanzierungsbedarf. Es sind auch die Ebenen, auf denen die Menschen die
fehlenden Investitionen der Vergangenheit besonders spüren. Es ist eben
unmittelbar erfahrbar, wenn der ÖPNV nicht fährt oder die Schulklos nicht
funktionieren.
Besonders bemerkbar sind diese fehlenden Investitionen für die jungen
Generationen. Die Schuldenbremse wird stetig mit dem Wort
„Generationengerechtigkeit“ assoziiert. Dabei zeigen die angeführten mangelnden
Investitionen schon jetzt, dass die Schuldenquote nicht der einzige Messwert für
Generationengerechtigkeit sein kann. Nicht nur führen die Sparkurse der letzten
Jahrzehnte zu immer höheren Infrastrukturschulden für die kommenden
Generationen, auch jetzt entstehen bereits Ungerechtigkeiten, unter der die
jungen Generationen zu leiden haben. Unterricht im Lernumfeld teils maroder
Schulen, bei welchen die Bauart vielerorts nicht mehr den Bedarfen eines
modernen Unterrichts entspricht und die Vorbereitung auf unsere digitale Welt
bleibt auf Grund mangelnder Digitalisierung auf der Strecke. Infrastrukturmängel
im ÖPNV beeinflussen die Mobilität der jungen Generationen, denn diese sind auf
gut funktionierende öffentliche Verkehre angewiesen, um eigenständig mobil zu
sein. Auch fehlende Investitionen in die Transformation der Wirtschaft wirken
sich am stärksten auf die jungen und kommenden Generationen aus, denn diese
sichern nicht nur unser Klima und damit unsere Lebensgrundlage, sondern auch
unseren Wohlstand. Nur durch Transformation und Anpassung kann die deutsche
Wirtschaft von morgen stark und wettbewerbsfähig sein und damit auch ein
sicherer und guter Arbeitgeber. Es zeigt: Die Generationengerechtigkeit darf
nicht nur theoretisch an der Fiskalpolitik gemessen werden, sondern muss auch
praktisch an der Lebensrealität der kommenden Generationen orientiert sein.
Notlagen, die ein Aussetzen der Schuldenbremse ermöglichen, enden leider nie am
31.12. des Jahres, in dem sie begannen. Krisen kennen kein Kalenderjahr. Dies
nicht im Regelwerk zu berücksichtigen, kann zu über Nacht wegbrechenden
Unterstützungsmaßnahmen führen.
Problematisch ist auch die Konjunkturbereinigung in ihrer aktuellen Form, da
sich die Potenzialschätzung nach der aktuellen Methodik bei großen Schocks an
den tatsächlichen BIP Verlauf anpasst und so die Spielräume für Kreditaufnahme
sinken.
Wir haben in Deutschland also nicht nur einen großen Investitionsstau angehäuft,
sondern auch enorme zusätzliche Investitionsbedarfe im Umfang von hohen
zweistelligen Milliardenbeträgen pro Jahr bis zur Mitte des Jahrhunderts.
Gleichzeitig haben wir eine extrem vorteilhafte Position am Kapitalmarkt, um
auch kreditfinanzierte Investitionen zu tätigen, die nicht nur hohe Renditen
erwarten lassen, sondern auch unsere Zukunftsfähigkeit sichern. Unsere aktuellen
Fiskalregeln lassen es nicht zu, sinnvolle Verschuldungsmöglichkeiten besser für
Investitionen zu nutzen. Auch die Länder und Kommunen, denen eine besondere
Rolle zukommt, können nur sehr eingeschränkt handeln. Auf Kosten einer übermäßig
zurückgeführten finanziellen Schuldenquote drohen massive Infrastruktur- und
Klimaschulden für kommende Generationen.
Um die Europäische Union bis spätestens 2050 klimaneutral, unsere Wirtschaft
global wettbewerbsfähig und unsere Infrastruktur moderner zu machen, müssen wir
europaweit in den nächsten Jahren mehrere hundert milliarden Euro investieren.
Gute öffentliche Infrastruktur, wie bspw. ins Schienen- oder Stromnetz, ist die
Grundlage für ein klimaneutrales Europa. Ohne verstärkte öffentliche
Investitionen, werden private Investitionen nicht folgen.
Daher setzt sich der Landesverband Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein
dafür ein, die notwendige Zeitenwende nun auch finanzpolitisch zu vollziehen.
Hierzu muss die Schuldenbremse zügig reformiert werden, um eine
Investitionsoffensive in die relevanten Zukunftsbereiche ermöglichen zu können.
Darüber hinaus müssen auch steuerliche Fehlanreiz beseitigt und für mehr
Steuergerechtigkeit gesorgt werden.
Teil II
Der Landesparteitag beschließt,
Kreditfinanzierte Investitionen: Update der Schuldenbremse für eine zukunfts-
und generationengerechte Finanzpolitik
Zur Finanzierung der nötigen Zukunftsinvestitionen liegen zahlreiche Vorschläge
für eine Reform der Schuldenbremse aus der Breite der Gesellschaft auf dem
Tisch. Der Sachverständigenrat hat eine einstimmige Empfehlung vorgelegt und
selbst die CDU-Ministerpräsidenten zeigen sich offen für eine Reform der
aktuellen Schuldenregeln. Die Vorschläge reichen dabei von einer goldenen Regel
für Investitionen über eine Reform der Konjunkturkomponente bis zur Einführung
von Übergangsfristen nach Notsituationen.
Wir wollen eine ergebnisoffene Diskussion der Vorschläge, um einerseits
Deutschlands fiskalische Solidität zu gewährleisten und andererseits den Abbau
der Infrastruktur- und Klimaschulden zu ermöglichen. Nur ein Ausbalancieren
dieser Ziele ist auf Dauer generationengerecht. Aktuell liegt die Priorität
einseitig auf der fiskalischen Solidität, was eine unnötig starke und schnelle
Rückführung des Schuldenstandes auf Kosten von (Zukunfts-) Investitionen zur
Folge hat.
Wir werden uns daher im Bundestag und im Bundesrat dafür einsetzen, die
Schuldenbremse zügig zu reformieren und für die notwendigen
Zukunftsinvestitionen zu öffnen.
Für einen Deutschland-Investitionsfonds
Wir erneuern auch die Forderung nach einem Deutschland-Investitionsfonds für
Bund, Länder und Kommunen. Wir wollen gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen an
einem Strang ziehen und in Deutschland auch kreditfinanzierte Investitionen
mobilisieren, die langfristig abgesichert werden. Dies schafft
Planungssicherheit für die Transformationsprozesse, die durch den russischen
Angriffskrieg und die Klimakrise nötig sind. Für den Zusammenhalt und die
Akzeptanz in der Gesellschaft ist es wichtig, dass Schulen und Krankenhäuser
modern, Züge pünktlich und Wohnungen erschwinglich sind.
Investitionsbedarfe erfassen – für eine zukunftsorientierte
InfrastrukturpolitikAls Grundlage für zielgerichtete Investitionen bedarf es
eines allumfassenden Überblicks und Monitorings. Aus diesem Grund unterstützen
wir die Forderung nach einem regelmäßigen Infrastrukturbericht in Zusammenarbeit
von Bund und Ländern, der den aktuellen Leistungs- und Qualitätsstand aller
Infrastrukturbereiche sowie die getätigten Investitionen darstellt. Weitergehend
soll der Bericht zukünftig eine langfristige Investitionsbedarfsanalyse
umfassen. Dies ermöglicht eine Investitionspolitik mit Weitsicht, die
zukunftsgerichtete Entscheidungen für eine dauerhafte Qualitätsverbesserung der
öffentlichen Infrastruktur trifft und den Nutzen von Infrastrukturprojekten über
ihre gesamte Lebensdauer für die heutigen und kommenden Generationen
berücksichtigt.
Finanzielle Spielräume auf Landesebene erweitern
Um Schleswig-Holstein kurzfristig zusätzliche Spielräume für Investitionen zu
ermöglichen, wollen wir den ursprünglich vorgesehenen Spielraum für die
strukturelle Neuverschuldung der Länder in der Schuldenbremse einführen und
Übergangsfristen nach Notsituationen schaffen. Es handelt sich dabei um eine
Anpassung der Schuldenregeln für Bund und Länder, die der politischen Realität
von Krisen Rechnung tragen würde. Außerdem wollen wir die Möglichkeit
zusätzlicher Investitionen durch Gründung landeseigener
Infrastrukturgesellschaften nutzen.
Aktuell erlaubt die Schuldenbremse den Ländern keine strukturelle
Neuverschuldung. Wir wollen die eigentlich vorgesehene - aber im Zuge der
Verhandlungen über die Ausgestaltung der Schuldenbremse im Jahr 2009
ausgeschlagene - strukturelle Neuverschuldung von bis zu 0,15% des BIP für die
Länder einführen. Ohne diese Verschuldungsmöglichkeit wird den Ländern die
Möglichkeit genommen, wichtige Investitionen zu tätigen. Zudem wird der
Spielraum für politische Entscheidungen, , deren gesellschaftliche Renditen weit
über den zu zahlenden Zinskosten liegen, extrem eingeengt. Die Tragfähigkeit der
Landesfinanzen wird bei einer strukturellen Neuverschuldung dieser Größenordnung
in keiner Weise beeinträchtigt. Die grüne Landtagsfraktion als
regierungstragende Fraktion und die grünen Kabinettsmitglieder werden sich im
Parlament wie in der schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür einzusetzen,
dass die schwarz-grüne Koalition eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den
Weg zu bringt.
Darüber hinaus wollen wir Übergangsregeln nach krisenbedingten Notsituationen
einführen. Eine Notsituation endet nicht am 31.12. eines Jahres, sondern läuft
mit der Zeit aus und beeinträchtigt auch die Folgejahre. Demzufolge braucht es
die Möglichkeit, im Anschluss an eine krisenbedingte Notlage auch in den
Folgejahren noch Notkredite aufzunehmen, deren Höhe schrittweise reduziert wird.
Damit wäre es möglich, ohne erneut eine Notlage erklären zu müssen Krisenfolgen
effektiv weiter zu bekämpfen und zu einer Rückkehr zur Normalität ohne harte
Landung zu kommen.
Solange die Schuldenbremse noch nicht reformiert ist, ist es richtig, die
vorhandenen Verschuldungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. Das Land befindet sich
aufgrund der multiplen Krisen und der Maßnahmen zu Bekämpfung nach wie vor in
einer finanziellen Notlage befindet. Daher ist es konsequent, dass der Landtag
beschlossen hat, auch 2024 mit Notkrediten zu arbeiten. Unser Ziel ist es, das
Land weiterhin gut durch die Krisenjahre zu führen und finanzielle Zusagen die –
aus Notkrediten finanziert - an die Kommunen gemacht wurden, einzuhalten. Mit
den Maßnahmen werden u.a. Krankenhäuser gestärkt, der Ausbau der
Schulinfrastruktur und der Ganztagsbetreuung vorangebracht, der ÖPNV unterstützt
und die Wärmewende in den Kommunen vorangetrieben. Dass die SPD diese
ursprünglich gemeinsam beschlossenen. Maßnahmen nicht mehr mitträgt und
gemeinsam mit der FDP eine Klage gegen den Notkredit 2024 prüft, ist ein nicht
nachvollziehbarer Kurswechsel der Sozialdemokraten und wird der derzeitigen
Verantwortung in Zeiten multipler Krisen nicht gerecht.
Investitionen ankurbeln - Gründung landeseigener Infrastrukturgesellschaften
Ein weiterer Hebel für zusätzliche Investitions- und Verschuldungsspielräume der
Länder sind Infrastrukturgesellschaften im Landesbesitz. Ähnlich wie Defizite
der Sozialversicherungen nicht dem Bund und Defizite der Kommunen nicht den
Ländern zugerechnet werden, werden Defizite selbstständiger (privat- oder
öffentlich-rechtlicher) Einheiten nach Art. 109 Abs. 3 GG nicht der Verschuldung
des Landes (oder des Bundes) zugerechnet, wenn sie über eigene Sachaufgaben
verfügen. Für die tatsächliche Ausgestaltung einer Infrastrukturgesellschaft
sind rechtliche, finanzpolitische und organisatorische Fragen zu klären. Wir
wollen daher, dass die Landesregierung ein Konzept entwickelt für zusätzliche
Finanzspielräume durch die Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur und anderer
Investitionen in landeseigenen Infrastrukturgesellschaften.
Investitionsspielräume der Kommunen erhöhen
Ein großer Teil der Investitionen für Klimaschutz, Verkehr, Bildung und
Kinderbetreuung werden auf kommunaler Ebene entschieden und dort (mit-
)finanziert. Für die Kommunen gibt es bisher keine Schuldenbremse. Allerdings
müssen kommunale Investitionskredite von der Kommunalaufsicht nach
finanzpolitischen Regeln über deren dauerhafte Leistungsfähigkeit genehmigt
werden. Diese Regeln sind in Schleswig-Holstein so gestaltet, dass sie die
finanziellen Spielräume der Kommunen einschränken. Wir wollen daher die
Gemeindehaushaltsverordnung und den erläuternden Erlass überarbeiten mit dem
Ziel einer Anpassung der Genehmigungsfähigkeit von kommunalen
Investitionskrediten an das, was für eine langfristig finanzierbare
Haushaltspolitik auch tatsächlich notwendig ist.
Für eine gerechtere Steuerpolitik: Große Vermögen konsequent besteuern,
Einkommen entlasten
Die Steuerpolitik ist Fundament staatlicher Investitionen. Um diese zu
ermöglichen, wollen wir große Vermögen besser besteuern, Lücken in der
Besteuerungspraxis schließen und Finanzkriminalität stärker bekämpfen.
Gleichzeitig wollen wir kleine und mittlere Einkommen entlasten.
Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland besonders hoch. Während die ärmere
Hälfte der BürgerInnen praktisch kein Vermögen hat, besitzen die reichsten 10%
mehr als doppelt so viel wie die restlichen 90%. Damit liegt Deutschland im
internationalen Vergleich in der Spitzengruppe.
Im Steuersystem spielen vermögensbezogene Steuern jedoch kaum eine Rolle: Die
Erbschafts- und Schenkungssteuer macht ca. 1% des Steueraufkommens aus, eine
Vermögenssteuer gibt es nicht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Arbeit einen
besonders hohen Anteil an der Steuerlast tragen muss. Auch hier ist Deutschland
im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Dabei mindert eine starke
Belastung von Arbeit die Produktivität einer Volkswirtschaft, da viele
ArbeitnehmerInnen weniger arbeiten, als sie eigentlich wollen.
Hier wollen wir gegensteuern: Vermögensbezogene Steuern sollen in Zukunft eine
größere Rolle spielen; Arbeit wollen wir entlasten. Hier hat die Vermögens- und
Erbschaftssteuer eine besondere Relevanz. Dieser wird sie in ihrer aktuellen
Form allerdings nicht gerecht, Reformen sind daher dringend notwendig. Da die
Einnahmen aus der Schenkungs- und Erbschaftssteuer den Ländern zukommen, stärkt
eine Reform insbesondere die Spielräume der Länder.
Die Erbschaftssteuer fairer gestalten
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer besteuert die Weitergabe von besonders
großen Vermögen. Mit hohen Freibeträgen wird sichergestellt, dass
durchschnittliche Erbschaften steuerfrei bleiben. Auch selbstgenutztes
Wohneigentum kann weitestgehend steuerfrei verschenkt oder vererbt werden.
Dieses Prinzip wollen wir beibehalten.
Die Erbschaftssteuer ist jedoch ein Flickenteppich an Ausnahmen, die ungerecht
sind und zu Mindereinnahmen führen. Ein Beispiel dafür ist die
Verschonungsbedarfsprüfung bei der Vererbung von Unternehmensanteilen, die es
den Empfängern ermöglicht, ihre Steuerlast zu reduzieren. Dies führt zu dem
widersinnigen Effekt, dass der Steuersatz auf die größten Erbschaften niedriger
ist als auf durchschnittliche Erbschaften.
Wir setzen uns für eine konsequente Vereinfachung der Schenkungs- und
Erbschaftssteuer ein. Ausnahmen und Steuerprivilegien für Multimillionenerben
gehören abgeschafft. Um die Weitergabe von Unternehmen nicht zu behindern,
sollen weitreichende Stundungsmöglichkeiten geschaffen werden, die die
steuerliche Belastung über viele Jahre verteilen können.
Kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten, Spitzensteuersatz erhöhen
Wir wollen die große Mehrheit der Erwerbstätigen bei der Einkommensteuer
entlasten. Dazu wollen wir den Tarifverlauf so anpassen, dass den VerdienerInnen
kleiner und mittlerer Einkommen mehr Netto vom Brutto bleibt. Diese Entlastung
finanzieren wir durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für die höchsten
Einkommen, so wie es auch der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten
2022/23 empfohlen hat. Dadurch stärken wir die meisten Haushalte angesichts nach
wie vor hoher Preise; gleichzeitig stellen wir sicher, dass Gutverdienende einen
angemessenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.
Die EU finanziell handlungsfähig machen.
Auf europäischer Ebene fordern wir eine investionsfreundliche Reform des
Stabilitäts- und Wachstumspakts (EU Schuldenregeln) um allen EU Mitgliedsstaaten
die Möglichkeit zu geben stärker in klimagerechte Infrastruktur zu investieren.
Mit einem europäischen Investitionsfonds wollen wir über den EU Haushalt
Investitionen anschieben. Wir setzen uns für die Besteuerung von exzessiven
Übergewinnen von multinationalen Konzernen und von Finanzspekulation ein. Sie
sollen als Eigenmittel dem EU Budget zugeführt werden. Die Initiative von den
G20 Staaten Brasilien und Frankreich zur einer globalen Mindeststeuer auf extrem
hohe Vermögen wird von uns unterstützt.
Begründung
siehe Teil I
Unterstützer*innen
- Tim Alexander Reclam (KV Lübeck)
- Oliver Brandt (KV Herzogtum Lauenburg)
- Stefan Bärenz (KV Herzogtum Lauenburg)
- Axel Flasbarth (KV Lübeck)
- Uta Röpcke (KV Herzogtum Lauenburg)
- Marcus Jurkat (KV Lübeck)
- Mechthild Rosker (KV Herzogtum Lauenburg)
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
- Lukas Unger (KV Pinneberg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Ruth Kastner (KV Stormarn)
- Monika Heinold (KV Kiel)
- Jasper Balke (KV Lübeck)
- Sascha Peukert (KV Lübeck)
- Stephan Wisotzki (KV Lübeck)
- Annegret Kranz-Kniesel (KV Lübeck)
- Hansjörg Diers (KV Lübeck)
- Tobias Preß (KV Lübeck)
- Marilla Meier (KV Lübeck)
- Birte Duggen (KV Lübeck)
- Anke Erdmann (KV Kiel)
- Patrick Pacula-Glöer (KV Lübeck)
- Judith Bach (KV Lübeck)
- Sophia Marie Pott (KV Lübeck)
- Steffen Regis (KV Kiel)
- Karl-Martin Hentschel (KV Plön)
- Conny Clausen (KV Flensburg)
- Johannes Albig (KV Kiel)
- Andrea Eva Dreffein-Hahn (KV Pinneberg)
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