Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Mai 2024 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Katrin Stange (KV Pinneberg) |
Status: | Überweisung (LAG Medien, LAG Netzpolitik, Parteitrat) |
Antragshistorie: | Version 2 |
A12NEU (Ä1): Grundsatzbeschluss AusgeZOOMT: Nutzung von Open-Source-Plattformen für Online-Veranstaltungen stärken
Antragstext
Die Mitglieder des Landesverbandes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein
beschließen, für grüne Online-Veranstaltungen schnellstmöglich auf die Nutzung
von Zoom zu verzichten und stattdessen ausschließlich Open-Source-Plattformen
(z. B. BigBlueButton, Jitsi Meet) zu nutzen.
Dafür wird der Landesvorstand nachdrücklich darum gebeten,
1. für seine eigenen Online-Veranstaltungen auf die Plattform Zoom zu verzichten
und stattdessen ausschließlich Open-Source-Alternativen zu nutzen,
2. die gleich lautende Bitte an alle KVen und deren Untergliederungen im Land SH
weiterzuleiten,
3. an den Bundesvorstand zu appellieren, diese Forderung ebenfalls für Bundes-
Formate umzusetzen und darüber hinaus die Bitte um Nutzung der Open-Source-
Alternativen an Stelle von Zoom an alle Landesverbände und deren
Untergliederungen sowie an die Grüne Gruppe im EU-Parlament weiterzugeben und
4. sich beim Bundesvorstand dafür einzusetzen, dass neben Jitsi Meet
(meet.gruene.de) auch die BigBlueButton-Plattform der Netzbegrünung
(bbb.netzbegruenung.de) als Dienst des Grünen Netztes bereitgestellt und unter
der Domain gruene.de eingebunden wird sowie beide Plattformen mit ausreichend
Kapazitäten ausgestattet werden.
Begründung
Die Verwendung von Zoom ist zuverlässig, bequem und auch im Falle, dass viele Personen zeitgleich und sogar mit Bild und Ton teilnehmen, stabil und leistungsstark. Sie bringt aber auch verschiedene datenschutzrelevante Fragen und Gefahren mit sich, darunter:
1. Metadaten und biometrische Daten: Zoom erhebt und überträgt Metadaten, die Informationen über die Nutzung und die Teilnehmenden unserer Videokonferenzen enthalten können. Darüber hinaus kann Zoom biometrische Daten von Teilnehmer*innen erfassen, z.B. Gesichtserkennung und individuelle Sprachmerkmale.
2. Nutzungsbedingungen (AGB): Die Zoom-AGB erlauben prinzipiell die Weitergabe/den Weiterverkauf der gesammelten Nutzer*innen-Daten bzw. schließen dies nicht explizit aus. Dass die Videokonferenzen über „deutsche Server“ laufen, wird damit als Argument pro Zoom irrelevant. Eine sorgfältige Prüfung der Nutzungsbedingungen von Zoom wäre sinnvoll, um erkennbar zu machen, inwieweit die von uns (zum Großteil unwissentlich) übertragenen Daten verwendet werden, und dass Datenschutzrechte nicht im ausreichenden, wünschenswerten Maße geschützt sind. Eine solche Überprüfung ist von zum Großteil ehrenamtlich Engagierten nicht zu leisten bzw. so von externen Dienstleiter*innen durchgeführt, aufwendig und kostenintensiv. Diese Finanzmittel (Spendengelder größtenteils von den ehrenamtlich aktiven Mitgliedern) lassen sich besser an anderer Stelle investieren.
3. Abhängigkeit: Wir als Partei machen uns ohne Not von externen Unternehmen und deren Infrastruktur abhängig. Diese Unternehmen laufen prinzipiell immer Gefahr, in Konkurs zu gehen oder aufgekauft zu werden von Firmen, die dann mutmaßlich mit anderen AGB aufwarten und entsprechend nach ihren Vorstellungen mit den vorrätigen Daten verfahren können. Es besteht aber auch die potenzielle Gefahr, dass externe Unternehmen (durch uns nicht beeinflussbar) unter politischen Druck geraten. Was etwa, wenn Donald Trump im Falle einer erneuten Präsidentschaft beschließt, dass er nicht will, dass europäische Andersdenkende weiterhin US-Infrastruktur für ihre Kommunikation nutzen?
4. Sicherheitsrisiken: Zoom war in der Vergangenheit aufgrund von Sicherheitslücken und Datenschutzproblemen in den Schlagzeilen. Wir müssen aber jeder Zeit sicherstellen können, dass die Daten unserer Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und deren Untergliederungen und die Privatsphäre unserer Mitglieder ausreichend geschützt sind. Zwar tauchen bei den Opensource-Optionen systemimmanent auch immer wieder Sicherheitslücken auf. Diese werden hier aber aus eigenem Community-Interesse wesentlich konsequenter, professioneller, effektiver und transparenter im Sinne des User*innen-Schutzes erkannt, bearbeitet und geschlossen.
5. Exklusion: Mit der weiteren Nutzung von Zoom - auch Zoom X - werden alle Mitglieder ausgeschlossen, die sich der Sammlung und Speicherung ihrer Daten wohlweislich entziehen wollen und darum an all den auf dieser Plattform angebotenen Veranstaltungen nicht teilnehmen (wollen). Dazu gehören auch so wichtige Formate wie der „Kurze Draht“ und Orga-Treffen zwischen den verschiedenen Partei-Ebenen genauso wie Info-Veranstaltungen für alle Parteimitglieder und interessierte (Noch-)Nicht-Mitglieder. Dies widerspricht zutiefst dem Inklusions-Prinzip unserer Partei.
6. Barrierefreiheit: Für die Verwendung von Zoom spräche auch die einfache Nutzung selbst für ungeübte User*innen, sind Befürworter*innen der US-Plattform überzeugt. Doch diese Einschätzung täuscht. Zwar ist bisher kein einziges Videokonferenztool komplett barrierefrei. Jitsi Meet und Big Blue Button schneiden mit 80 % bzw. 89 % vergleichsweise besser ab als Zoom (78 %). Das ergab 2022 eine Untersuchung der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista), die Tools einem angepassten BITV/EN 301 549-Test unterzogen. Auch die Beratungsstelle für Inklusion im Fußball „KickIn!“ Hat die Barrierefreiheit der Tools untersucht (Stand: 2023). Die Ergebnisse zeigen: Bei allen ist noch Luft nach oben.
7. Grundsatzprogramm: Gemäß unserem Grundsatzprogramm (Seite 49) setzen wir uns gegen übermäßige Datenmacht und -monopole ein, befürworten Open Source und streben eine größere technologische Souveränität für die Europäische Union an (Seite 50). Die Verwendung von Zoom steht im Widerspruch zu diesen Grundsätzen.
Dieselben Fragen und Bedenken gelten für die Microsoft-Plattform „Teams“, weswegen diese ausdrücklich als Alternative ausfällt.
Aus all diesen Gründen wird die Nutzung von Zoom in der digitalen Fachwelt schlicht als unverantwortlich, im besten Falle naiv beurteilt. Wer sie weiterhin nutzt, setzt die Teilnehmer*innen wissentlich in Kauf nehmend Gefahren aus, die noch nicht mal bis ins kleinste Detail absehbar sind. Man male sich nur einmal die nicht unwahrscheinlichen Szenarien aus, in denen Donald Trump erneut US-Präsident wird, Vladimir Putin die Ukraine besiegt und sich an die Balkanstaaten (und NATO-Mitglieder) heran macht oder die AfD in Kommunal- und Landesparlamenten an Einfluss gewinnt.
Mit Hilfe der bei Zoom in großem Ausmaß gesammelten Daten kann die gezielte Suche nach Personen beginnen und die Jagd auf Menschen effizient durchgeführt werden. Dies gilt es unbedingt zu unterbinden. Besser gestern als morgen.
Eine eigene BigBlueButton-Plattform soll geschaffen werden, aber nicht, um mit meet.gruene.de zu konkurrieren, sondern vielmehr das Angebot für diejenigen zu erweitern, die lieber BigBlueButton nutzen. Derzeit wird bbb.netzbegruenung.de vom Netzbegrünung e.V. ehrenamtlich betrieben. Durch die Bereitstellung einer eigenen Plattform seitens des Bundesvorstands können das Grüne Netz integriert sowie Fehlerbehebungen und Weiterentwicklungen effektiver durchgeführt werden.
Quellen und Links zur sachlichen Vertiefung auch zu Sicherheitslücken bei und Belastbarkeit (viele gleichzeitig Teilnehmende) von Open-Source-Plattformen siehe:
Unterstützer*innen
- Anke Thomsen (KV Pinneberg)
- Florian Juhl (KV Pinneberg)
- Oliver Lorentzen (KV Pinneberg)
- Lars Bode (KV Pinneberg)
- Sebastian Rautert (KV Pinneberg)
- Jens Ewald (KV Pinneberg)
- Hans vom Schloß (KV Pinneberg)
- Erik Wassermann (KV Segeberg)
- Norbert Tretkowski (KV Schleswig-Flensburg)
- Jennifer Herbert (KV Kiel)
- Sebastian Bonau (KV Schleswig-Flensburg)
- Jessica Kordouni (KV Kiel)
- Michael Brandtner (KV Kiel)
Kommentare
Norbert Tretkowski:
https://support.bigbluebutton.org/hc/en-us/articles/13976773729431--2-6-How-do-I-use-my-browsers-built-in-speech-recognition
Das werden wir in den nächsten Tagen für die produktive BigBlueButton Instanz der Netzbegrünung aktivieren, ein erster Test auf der Test-Instanz verlief sehr positiv.
Dazu kommt, dass die Transkription natürlich nicht unbedingt innerhalb der Videokonferenz-Lösung geschehen muss, Windows 11 unterstützt Liveuntertitel für sämtliches Audio:
https://www.microsoft.com/de-de/windows/accessibility-features
Das selbe gilt für MacOS:
https://support.apple.com/de-de/guide/mac-help/mchldd11f4fd/mac
Und auch für Linux gibt es mehrere Lösungen.