Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen) |
Status: | Abstimmung |
Abstimmungsergebnis: | Mit großer Mehrheit angenommen Enthaltungen: 4 |
Antragshistorie: | Version 7 |
A13NEU (Ä1,2,3,4,5,6): Für mehr Gerechtigkeit und Effizienz: Reform der Erbschaft-und Schenkungsteuer
Antragstext
Obwohl in Deutschland das private Vermögen stetig ansteigt, ist das
Steueraufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer verhältnismäßig gering.
Von dem jährlich übertragenen Vermögen im Wert von etwa 250-400 Mrd. EUR betrug
das Steueraufkommen bis 2020 ca. 4-8 Mrd. EUR pro Jahr, im Jahr 2021 ca. 11 Mrd.
EUR. Dies entspricht einer effektiven Besteuerungsquote von ca. 1-4,4 %.
Gleichzeitig geht die Vermögensschere seit den 1970er Jahren immer weiter auf,
sodass Deutschland heute mit die ungleichste Vermögensverteilung in Europa
aufweist. Soziologen wie Thomas Piketty qualifizieren Deutschland das zweite Mal
als „Erbengesellschaft“ (das erste Mal war das vor dem Ersten Weltkrieg der
Fall), in der Erbe aktuell 51% des Anteils am privaten Gesamtvermögen ausmacht
(1975: 22%).
Ziel der grünen Erbschaft- und Schenkungsteuerreform ist, Gerechtigkeitslücken
im vorhandenen System zu schließen. Hierbei soll insbesondere die Besteuerung
großer Vermögen im Fokus liegen, sodass die Erbschaft- und Schenkungsteuer
zukünftig in relevantem Maße zur Staatsfinanzierung beiträgt.
Wir fordern eine ernst zu nehmende Erbschaftsteuerreform anzustoßen. Die vielen
Ausnahmen und teilweise zur kompletten Steuerbefreiung führenden
Verschonungsregelungen sollten abgeschafft werden (mit Ausnahme des Schutzes
von Familienheimen und der weiteren in § 13 ErbStG genannten Fälle, wie z.B.
Zuwendungen für die Ausbildung). Die Besteuerung darf real nicht wie heute
regressiv sein. Das heißt wer mehr erbt, sollte prozentual nicht weniger zahlen,
als der*diejenige, der*die weniger erbt. Wir prüfen derzeit beispielsweise den
Vorschlag eines einheitlichen Steuersatzes von 25% oberhalb des Freibetrags.
Hierdurch käme es zu einer indirekten Progression, d.h. je weniger der
Freibetrag überschritten wird, desto weniger Steuern fallen auch an. Wer
weniger erbt, soll – wie heute schon durch Freibeträge häufig der Fall – keine
Erbschaftssteuer zahlen müssen. Hier prüfen wir die Ersetzung der vielen
unterschiedlichen Freibeträge durch einen einheitlichen erwerbsbezogenen
Lebensfreibetrag von mind. 1 Mio. EUR. Die Herausforderungen bei der Vererbung
von Betriebsvermögen sind uns sehr bewusst. Wir wollen Unternehmen und
Arbeitsplätze nicht durch kurzfristige Liquiditätsengpässe wegen zu leistender
Erbschaftssteuerzahlungen gefährden. Daher schlagen wir großzügige
Stundungsregelungen von z.B. 15 Jahren vor.
Unser Fokus ist die Besteuerung großer Erbschaften:
- Wir ermöglichen jeder Person, im Laufe des Lebens einen erwerbsbezogenen
Lebensfreibetrag von mind. 1 Mio. EUR steuerfrei zu erben oder geschenkt
zu bekommen, egal in welcher Form (Immobilien, Geld, Unternehmensanteile
etc.).
- Die Erbschaftsteuer soll so nur die größten Erbschaften treffen. Wir gehen
von max. 3% der Bürger*innen, ausschließlich Millionener*innen, aus, die
nach der Reform betroffen sein werden.
- Jede Person kann den gleichen Betrag steuerfrei erben oder geschenkt
bekommen, unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen und Zeitpunkt des
Erbes oder der
Schenkung.
- Das Erbe des Familienheims, Zahlungen für Unterhalt und Ausbildung etc.
bleiben steuerfrei (s. § 13 ErbStG).
Wir schützen Arbeitsplätze und Unternehmen:
- Wir sichern den Fortbestand von Unternehmen, indem wir die Stundung der
Steuer für illiquide Vermögensgegenstände (z.B. Betriebsvermögen und
Immobilien) z.B. über 15 Jahre ermöglichen. So können jährlich niedrige
Beträge gezahlt werden, die im Regelfall aus Unternehmensgewinnen gedeckt
werden.
- Arbeitsplätze werden nicht gefährdet.
Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein unterstützt die
Forderung, einen substantiellen Reformvorschlag zur Erbschaft- und
Schenkungsteuerreform in das Bundestagswahlprogramm 2025 aufzunehmen, der auf
dem Beschluss der BAG Wirtschaft & Finanzen basiert.
Begründung
Die BAG Wirtschaft und Finanzen hat im Rahmen einer Unter-AG u.a. unter Mitwirkung von Wissenschaftler*innen und Beschäftigten in der Finanzverwaltung einen Vorschlag erarbeitet, wie eine Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer aussehen könnte, die für mehr Gerechtigkeit und Effizienz bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen sorgt.
Die Einnahmen aus Erbschaft- und Schenkungsteuer verbleiben beim Land, eine solche Reform ist daher eine Möglichkeit, auch unserem Landeshaushalt mehr Einnahmen zu verschaffen und die Finanzierung öffentlicher Leistungen auf gerechtere Füße zu stellen.
Allerdings muss eine entsprechende Gesetzesänderung auf Bundesebene stattfinden. Um deutlich zu machen, dass und wie wir uns für eine solche Änderung stark machen, ist es notwendig, dies mit möglichst konkreten Forderungen in unser kommendes Bundestagswahlprogramm aufzunehmen und unserem Bundesvorstand möglichst frühzeitig deutlich zu machen, dass eine solche Änderung aus den Reihen unserer Partei gewünscht wird.
Vollständiger Beschluss der BAG Wirtschaft und Finanzen vom 14.10.2023:
1. Ausgangslage
Obwohl in Deutschland sowohl das private Vermögen als auch die Summe der Vermögens- übergänge stetig ansteigen, ist das Steueraufkommen aus der Erbschaft- und Schenkung- steuer verhältnismäßig gering. Von dem jährlich übertragenen Vermögen im Wert von etwa 250-400 Mrd. EUR (genaue Zahlen werden leider nicht erhoben) betrug das Steueraufkom- men bis 2020 ca. 4-8 Mrd. EUR pro Jahr, im Jahr 2021 ca. 11 Mrd. EUR[1]. Dies entspricht einer effektiven Besteuerungsquote von ca. 1-4,4 % und trägt insg. nur weniger als 1,5 % zum gesamten deutschen Steueraufkommen von ca. 833 Mrd. EUR (2021) bei.
Durch zahlreiche Ausnahme- und Verschonungsregelungen ist das Erbschaftsteuergesetz weitgehend ausgehöhlt worden. Dazu zählen insbesondere die Verschonung von Betriebsvermögen nach den §§ 13 a, 13 b und 13 c ErbStG, die Veschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG sowie die Verschonungsregelung für sog. Grundstücksunternehmen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1d. Hierdurch werden einzelne Vermögensarten steuerlich unterschiedlich behandelt, sodass die effektive relative Steuerbelastung - entgegen der gesetzlich vorgesehenen Progression - bei großen Vermögen sogar abnimmt.
Gleichzeitig geht die Vermögensschere seit den 1970er Jahren immer weiter auf, sodass Deutschland heute mit die ungleichste Vermögensverteilung in Europa aufweist[2]. Insgesamt besitzen die Deutschen heute Geldvermögen im Wert von ca. 7,7 Bn. EUR, was in etwa dem doppelten Bruttoinlandsprodukt, mehr als der dreifachen Staatsverschuldung oder ca. 90.000 EUR pro Person entspricht[3] - andere Quellen sprechen sogar von bis zu 16 Bn EUR[4]. 2019 hielt das reichste 1% der Bevölkerung insgesamt 35% und die gesamte untere Hälfte insgesamt 1,3% des Vermögens.[5] Hierbei sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Ost- und Westdeutschen, Jungen und Alten sowie weiteren Gruppen eklatant.
Soziologen wie Thomas Piketty qualifizieren Deutschland das zweite Mal als „Erbengesell- schaft“ (das erste Mal war das vor dem Ersten Weltkrieg der Fall), in der Erbe aktuell 51% des Anteils am privaten Gesamtvermögen ausmacht (1975: 22%).[6] In der Realität bedeutet dies: In unserer Gesellschaft kommt es für die Lebensqualität nicht mehr vor allem auf Einkommen, sondern auf Vermögen an, welches zum Großteil nicht erworben, sondern ererbt wird. Zum Beispiel macht es für den Lebensstandard junger Familien heute oft den entscheidenden Unterschied, ob die Großeltern-Generation per Schenkung den Erwerb eines Eigenheims unterstützen kann. Das macht etwas mit den Menschen: Mit dem „Sicherheitsnetz“ vermögender Familien trauen sich junge Menschen mehr zu, sind selbstbewusster, unbeschwerter und risikoaffiner. Auch in der Rente weitet sich die Schere: Der vermögende Teil der Bevölkerung hat eine Immobilie abbezahlt und meist zusätzlich Erspartes und Einkommen aus Kapitalerträgen; der nicht vermögende Teil bekommt lediglich die staatliche Rente und muss gleichzeitig weiterhin Miete zahlen.
2. Zielsetzung
Ziel der grünen Erbschaft- und Schenkungsteuerreform ist, Gerechtigkeitslücken im vorhandenen System zu schließen.
Wir wünschen uns einen wesentlich höheren Anteil des Aufkommens aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer am Gesamtaufkommen als heute. Hierbei soll insbesondere die Besteuerung großer Vermögen im Fokus liegen, sodass die Erbschaft- und Schenkungsteuer zukünftig in relevantem Maße zur Staatsfinanzierung beiträgt. Beispielhaft wäre es - unter Berücksichtigung des Gesamtdeckungsprinzip von Steuern ohne Zweckbindung - eine Möglichkeit, die Besteuerung von Einkommen in dem Maße zu senken, wie das Aufkommen aus Erbschaft- und Schenkungsteuer steigt.
Hierbei soll dem Prinzip der Leistungsfähigkeit genüge getan werden. Hierbei soll dem Prinzip der Leistungsfähigkeit genüge getan werden. Dies soll durch eine indirekte Progression geschehen, d.h. der Durchschnittssteuersatz soll umso höher sein, je höher das Erbe ausfällt.
Die Besteuerung soll neutral sein bzgl. der Art des vererbten Vermögens,um steuerliche Fehlanreize und eine verzerrende Wirkung auf wirtschaftliche Entscheidungen zu vermei- den. Bestimmte Vermögensarten wie bisher z.B. Betriebs- und Immobilienvermögen sollen nicht durch Ausnahmen und Verschonungen privilegiert werden. Liquiditätsbelastungen sollen durch großzügige Stundungsregelungen abgefedert werden.
Es soll sichergestellt werden, dass jede Person im Laufe ihres Lebens dieselbe Summe steuer- frei erben oder geschenkt bekommen kann. Dazu soll ein einheitlicher erwerberbezogener Lebensfreibetrag eingeführt werden.
Ferner soll durch diese Reform eine Vereinfachung der Erbschaft- und Schenkungsteuer hervorgerufen werden, die das Verständnis der Bürger erleichtert. Auch sollen Aufwand und Kosten für die Verwaltung in einem besseren Verhältnis zum Steueraufkommen stehen als bisher.
3. Reformvorschlag
Zur Umsetzung unserer Ziele schlagen wir folgende konkrete Rechtsänderungen vor, die wir im Folgenden detaillierter darstellen:
- Abschaffung von Verschonungsregelungen
- Einführung einheitlicher Stundungsregelungen
- Einführung eines erwerberbezogen Lebensfreibetrags
- Einführung eines linearen Steuersatzes von 25% (“flat tax”)
- Administrative Veränderungen
1. Abschaffung von Verschonungsregelungen
Rechtsänderung:
Die im bisherigen Recht vorgesehene partielle bzw. vollständige Steuerfreistellung von bestimmten Vermögenswerten - mit Ausnahme der Steuerbefreiungen nach § 13 ErbStG - entfällt vollständig.
Die 10-Jahres-Frist zur Berücksichtigung von Vorschenkungen entfällt, d.h.für den Freibetrag werden sämtliche Erbschaften und Schenkungen, die ein Erwerber im Laufe seines Lebens erhält (und die eine Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, s. f.), zusammengerechnet.
Argumentation:
Die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG) und die daraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten führen heute dazu, dass auch und insbe- sondere große Vermögen regelmäßig weitgehend steuerfrei übertragen werden.
So ist bei begünstigtem Vermögen z.B. eine vollkommen steuerfreie Übertragung im Wert von bis zu 26 Mio. Euro zu einem einzigen Übertragungszeitpunkt möglich. Wegen der der- zeit geltenden 10-Jahres-Grenze zur Berücksichtigung von Vorschenkungen ist eine derartige steuerfreie Übertragung sogar mehrfach im Laufe des Lebens eines Erwerbers bzw. Schen- kers möglich. Die effektive Steuerquote von 0 % in diesen Fällen widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien ist heute ein erbschaftsteuerrechtlicher Ansatz mit nur 90% des ermittelten Wertes vorgesehen (§ 13d ErbStG). Diese partielle Steuerbefrei- ung widerspricht dem Grundsatz eines einheitlichen Einbezugs sämtlicher übertragener Ver- mögenswerte in die Besteuerung. Auch kann der Zweck der Regelung, eine Liquiditätsbelas- tung durch den Anfall von Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu vermeiden, durch adäquate Stundungsregelungen ebenfalls und sogar besser bzw. umfassender erreicht werden als durch eine pauschale Steuerfreistellung von 10%.
Die Steuerbefreiungen nach § 13 ErbStG sollen bestehen bleiben. Sie betreffen beispielsweise die Vererbung des Familienheims, übliche Gelegenheitsgeschenke und Zuwendungen zum Zwecke eines angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung.
Durch die bisherige Berücksichtigung von Schenkungen nur außerhalb der 10-Jahres-Frist ist die Nutzung von Freibeträgen faktisch mehrmals möglich und die Übertragung großer Vermögen wird insbesondere bei einer steuerplanerischen Vorgehensweise bezüglich Schenkungen noch stärker begünstigt. Die Höhe der anfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer sollte jedoch weder vom Zufall noch von gezielter Planung abhängen, sondern allein vom Wert des auf diesem Wege erhaltenen Vermögens.
Durch den Wegfall bisheriger Ausnahmen und Verschonungen wird insgesamt mehr Vermögen in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer einbezogen, sodass das Steueraufkommen steigt. Zum Ausgleich der Belastungen werden neue Stundungsmöglich- keiten und ein einheitlicher Steuersatz eingeführt (s.u. b und e.). Es entfällt der Anreiz, Vermögen gezielt in bestimmte erbschaftsteuerlich privilegierte Werte zu investieren. So wird sichergestellt, dass die Steuer keine verzerrende Wirkung auf wirtschaftliche Entscheidungen mehr ausübt, also die Besteuerung nicht zu Effizienzverlusten führt.
Zudem entfallen die im bisherigen Recht vorgesehenen komplexen Regelungen zur Separie- rung von Verwaltungsvermögen und begünstigtem Vermögen, weshalb die vorgeschlagene Steuerreform insoweit zur Verminderung des Verwaltungsaufwands beiträgt - sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf Seiten der Steuerpflichtigen.
2. Einführung einheitlicher Stundungsregelungen
Rechtsänderung:
Eine Stundung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerschuld soll auf Antrag möglich sein, un- abhängig von der Art des übertragenen Vermögens. Die Stundung wird regelmäßig für 15 Jahre gewährt, wobei eine Tilgung in gleichmäßigen jährlichen Raten von jeweils 1/15 des beantragten Stundungsbetrages vorgesehen ist und unterliegt dem jeweils aktuellen Zins- satz aus § 238 Abs. 1a AO (derzeit 1,8 % p.a.). Eine vorzeitige anteilige oder vollständige Zahlung ist jederzeit möglich.
In Einzelfällen kann ein temporärer Tilgungsaufschub gewährt werden, wenn der Erwerber nachweisen kann, dass - z.B. aufgrund von temporären Verlusten aus dem erhaltenen Ver- mögen - Erträge zur Begleichung der Steuerschuld vorübergehend nicht erzielt werden.
Argumentation:
Bisher kann eine Stundung nur für bestimmte Vermögenswerte und unter engen Vorausset- zungen erfolgen (§ 28 ErbStG). Dies widerspricht dem Grundsatz der Neutralität bzgl. der Art des übertragenen Vermögens und würde den unter a. beschriebenen Wegfall der Einteilung in begünstigtes und nicht begünstigstes Vermögen für die Stundung wieder erforderlich machen.
Im Rahmen der allgemeinen Stundungsmöglichkeit sollte die Zahlung regelmäßig aus den Erträgen des erhaltenen Vermögens aufzubringen sein. Dadurch wird sichergestellt, dass z.B. Betriebsvermögen zur Begleichung nicht anteilig veräußert werden muss. Auch im Falle anderer Vermögenswerte wie z.B. Immobilien bietet die Regelung die Möglichkeit, die Steuer aus Erträgen des übertragenen Vermögens wie z.B. Mieteinnahmen zu begleichen. Durch die Verzinslichkeit wird ein Anreiz zur vorzeitigen Tilgung der Steuerschuld hergestellt. Wenn in Erbe oder Schenkung Zahlungsmittel bzw. leicht liquidierbare Vermögenswerte enthalten sind oder dem Erwerber aus anderen Quellen zur Verfügung stehen, kann eine vollständige oder höhere anteilige Begleichung der Steuerschuld zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der max. 15-jährigen Stundung erfolgen. Der Erwerber kann den nach individuellen Verhält- nissen besten Zeitpunkt der Tilgung auswählen. Hierbei wird durch die Regelung, dass grund- sätzlich jährlich 1/15 der Steuerschuld getilgt werden muss, ein kontinuierlicher Rückgang der Steuerschuld sichergestellt.
3. Einführung eines erwerberbezogen Lebensfreibetrags
Rechtsänderung:
Anstelle der im bisherigen Recht in § 16 ErbStG vorgesehenen Freibeträge wird ein einheitli- cher erwerberbezogener Lebensfreibetrag in Höhe von 1.000.000 Euro je Bürger eingeführt, wobei eine Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung berücksichtigt werden soll.
.Argumentation:
Bisher hängt die Höhe der persönlichen Freibeträge von Anzahl und Verwandtschaftsgrad der Erwerber ab, an die eine Person Vermögen überträgt (in zehn Jahren 400.000 EUR pro Kind, 200.000 EUR pro Enkel, 20.000 EUR pro Nichte/Neffe, etc.). Dies begünstigt Personen mit besonders zahlreichen wohlhabenden Verwandten (die dann z.B. auch von mehreren Tanten und Onkeln steuerfrei erben können).
Mit der neuen Erwerberbezogenheit des Lebensfreibetrages hängt die Höhe nicht mehr von dem Verhältnis zwischen Erwerber und Schenker bzw. Erblasser, sondern nur noch von dem Betrag des durch eine Person insgesamt durch Erbschaften und Schenkungen erhaltenen Ver- mögens ab. Somit wird eine Verknüpfung zwischen der aus Erbschaft bzw. Schenkung resul- tierenden Steigerung der steuerlichen Leistungsfähigkeit und der tatsächlich zu zahlenden Steuer hergestellt.
4. Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 25% (“flat tax”)
Rechtsänderung:
Für den Betrag des übertragenen Vermögens, der den Lebensfreibetrag übersteigt, gilt ein einheitlicher Steuersatz von 25 %.
Anmerkung: Für einen progressiven Verlauf des Steuersatzes oberhalb des Freibetrags sind wir offen, insofern dieser mit einem Eingangssteuersatz von etwa 15 % beginnt, der sich also etwa auf dem Niveau des einkommensteuerlichen Eingangssteuersatzes befindet.
Argumentation:
Bisher gelten je nach Steuerklasse und Wert des erworbenen Vermögens Steuersätze von 7 % bis 50 % (§ 19 ErbStG). Dies steht im krassen Gegensatz zur Realität, in der der mittlere effektive Steuersatz insgesamt nur 1-4,4% beträgt (s. Ausgangslage) und faktisch degressiv ist (also große Vermögen prozentual weniger besteuert werden als kleine Vermögen), zumal er bei großen Vermögen aufgrund zahlreicher Verschonungsregelungen und steuerplanerischer Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich oft 0% beträgt.
Zielrichtung dieser Reform soll nicht die übermäßige Liquiditäts- und Steuerbelastung von Erbschaften und Schenkungen sein. Es geht uns vorrangig darum, dass Erwerber größerer Vermögen - anders als bisher - tatsächlich einen relevanten Beitrag zum Steueraufkommen leisten.
In Kombination mit dem erwerberbezogenen Freibetrag ergibt sich auch bei einem einheitli- chen Steuersatz noch eine spürbare Progressionswirkung. So ergäbe sich beispielsweise bei einem Erwerb im Wert von 2 Mio. EUR ein Steuerbetrag von 0,25 Mio. EUR (durchschnittli- cher Steuersatz 12,5 %), bei einem Erwerb im Wert von 20 Mio. EUR hingegen ein Steuerbe- trag von 4,75 Mio. EUR ( durchschnittlicher Steuersatz 23,75 %).
5. Administrative Veränderungen
Rechtsänderung:
Im Laufe eines Kalenderjahres erhaltene Erbschaften und Schenkungen sind zugleich mit der Abgabe der jährlichen Einkommensteuererklärung anzugeben. Besteht keine Abgabe- verpflichtung, sind die Angaben jährlich mit der identischen Fristsetzung für Einkommen- steuererklärungen separat zu deklarieren. Hierfür wird die Möglichkeit zur elektronischen Abgabe geschaffen.
Erbschaften und Schenkungen, die in einem Jahr beim Erwerber insgesamt 10.000 EUR nicht übersteigen (nach Abzug von Ausnahmen nach § 13 ErbStG), werden in die Besteue- rung nicht einbezogen.
Argumentation:
Bisher ist jeder der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegende Erwerb innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Kenntnis über diesen an das Finanzamt zu melden (§ 30 EStDV). Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuererklärung besteht je- doch nur dann, wenn das Finanzamt dazu auffordert (§ 31 Abs. 1 ErbStG).
Durch die Angabe zugleich mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung entfallen sowohl das bisherige separate Anmeldesystem als auch die Aufforderung vonseiten des Finanzam- tes. Da jeder zu einer Einkommensteuererklärung verpflichtete Bürger jährlich eine Angabe zu Schenkungen und Erbschaften zu machen hat, wird die Quote der gemeldeten Übertra- gungen verbessert. Auch eine Angabe zum Nichtvorliegen von Erbe oder Schenkung schärft das Bewusstsein für die etwaige Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen in der Bevölkerung.
Durch die Ausnahme von der Steuerpflicht für erhaltene Schenkungen und Erbschaften im Wert von bis zu 10.000 EUR pro Jahr werden kleinere Schenkungen (auch über die Ausnahmen des § 13 ErbStG hinaus) weiterhin regelmäßig keine Steuerbelastung auslösen und die Verwaltung erleichtert. Auch diese Wertgrenze wird erwerberbezogen ausgestaltet und nicht auf das Verhältnis zwischen einzelnem Schenkenden und Erwerber bezogen.
[1] Destatis Sonderauswertung: “Festgesetztes geerbtes und geschenktes Vermögen und festgesetzte Steuer bei unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerben“, 17.10.2022
[2] Halbmeier/Grabka: Vermögen im europäischen Vergleich 2021; basierend auf Daten der EZB 2020
[5] Sozioökonomisches Panel DIW Berlin v35; SOEP-P von 2019; Manager Magazin
[6] Alvaredo, F.; Garbinti, B.; Piketty, T. 2017: On the Share of Inheritance in Aggregate Wealth: Europe and the USA, 1900–2010, in: Economica 84, S. 253
Unterstützer*innen
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Martin Drees (KV Plön)
- Susanne Hinz (KV Dithmarschen)
- Martin John Hanske (KV Dithmarschen)
- Britta Baar (KV Dithmarschen)
- Marcus Jurkat (KV Lübeck)
- Axel Denker (KV Dithmarschen)
- Sebastian Bonau (KV Schleswig-Flensburg)
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