Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Ökologie (dort beschlossen am: 05.04.2024) |
Status: | Abstimmung |
Abstimmungsergebnis: | Einstimmig angenommen |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Angenommen) |
Eingereicht: | 05.04.2024, 22:02 |
A32: Für fischereifreie Schutzgebiete und eine nachhaltige Fischerei
Antragstext
Unsere Meere bedecken 70 % der Erdoberfläche, beherbergen Hochrechnungen zufolge
mehr als 7 bis 8 Millionen Arten und sind zudem aufgrund ihrer Rolle im globalen
Kohlenstoffkreislauf von großer Relevanz für das Weltklima. Auch unsere
Küstenmeere in Schleswig-Holstein, die Nord- und die Ostsee, sind enorm relevant
für die Biodiversität und für das Klima.
Zur nationalen Umsetzung der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie
wurden deshalb neben dem Nationalpark Wattenmeer zahlreiche weitere
Schutzgebiete ausgewiesen. Bedeutende Schutzgüter in Nord- und Ostsee sind unter
anderem die Fischfauna, marine Säugetiere (Schweinswal, Kegelrobbe) sowie
benthische Lebensräume und Lebensgemeinschaften. Hierzu zählen z.B. neben den
Wattflächen und Riffen insbesondere die Seegraswiesen, die aufgrund der hohen
CO2-Speicherleistung von Seegras wichtige klimarelevante Funktionen erfüllen.
Meeresschutz ist Klimaschutz.
In der deutschen Nord- und Ostsee kommen verschiedene Fischfangmethoden zum
Einsatz. Die mobile grundberührende Fischerei steht dabei besonders häufig in
der Kritik, da die über den Meeresgrund geschleppten Netze diverse negative
Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Die Folgen des Einsatzes
grundberührender Fanggeräte hängen unter anderem von dem Gewicht und der Anzahl
der Bodenkontakte des Netzes ab. Die grundberührende Fischerei betrifft
insbesondere die Nordsee. In der küstennahen Ostsee ist vor allem die Nutzung
von Stellnetzen ein Problem, weil tauchende Meeresvögel, Robben und Schweinswale
sich darin verfangen und ertrinken.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich, wie bereits im Wahlprogramm zur
Bundestagswahl 2021 formuliert, auf allen Ebenen für eine nachhaltige
Transformation des Fischereisektors ein. Wir unterstützen Fischer*innen bei der
Erweiterung ihrer Tätigkeit von der reinen Entnahme hin zum Monitoring und zur
Pflege der Fischbestände. Wir wollen die Rolle der Küstenfischer*innen in der
Umweltbildung stärken. Die Grundsätze der Nachhaltigkeit und der ökologisch
verträglichen und tierschutzgerechten Fischerei sollen bereits bei der
Berufsausbildung vermittelt werden. Ein positives Beispiel hierfür ist das Sea-
Ranger-Projekt.
Auch die Beschlüsse zum Schutz der Biodiversität von Montreal sowie mehrere
Europäische Richtlinien fordern einen nachhaltigen Schutz der Meeresumwelt.
Insbesondere benthische Lebensgemeinschaften und Organismen wie
Kaltwasserkorallen, Riffe, Sandbänke, Seegraswiesen und Wattgebiete müssen
wirksam vor negativen Auswirkungen durch grundberührende Fanggeräte geschützt
werden.
Im kürzlich veröffentlichten „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ hat die
Landesregierung angekündigt, auf 12,5% der schleswig-holsteinischen Ostseefläche
fischereifreie Gebiete auszuweisen.
Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein fordert, dass
im gesamten Küstenmeer Schleswig-Holsteins, auch in der Nordsee, ausgedehnte
Zonen ohne jegliche extraktive Nutzung (auch ohne Sand- und Kiesabbau)
eingerichtet werden und in Zusammenarbeit mit den Fischereibetrieben eine
nachhaltige Fischereiwirtschaft entwickelt wird.
1.) Konsequenter Schutz in Schutzgebieten
Wir setzen uns dafür ein, dass - wie in der EU- Biodiversitätsstrategie
vorgesehen - mindestens 30% der Meeresfläche einem wirksamen Schutz unterstellt
werden. Mittelfristig (bis 2030) sollen 50% der marinen Schutzgebiete, auch im
Nationalpark Wattenmeer, als Nullnutzungszonen ohne jegliche extraktive Nutzung
ausgewiesen werden.
Wichtige Schutzgüter und Lebensräume am Meeresboden sind besonders von den
Auswirkungen mobiler grundberührender Fischerei betroffen. Die Fischerei mit
Grundschleppnetzen sowohl innerhalb, als auch außerhalb geschützter
Meeresbereiche ist höchst problematisch. Von den Stellnetzen sind besonders
tauchende Meerevögel und Meeressäuger betroffen. Deshalb ist für uns Fischerei
mit Grundschleppnetzen und Stellnetzen in Schutzgebieten keine Option.
2.) Förderung der Entwicklung alternativer/schonender Fangmethoden
Für die Meeresgebiete außerhalb der streng geschützten Bereiche sind unter
finanzieller Beteiligung der Gesellschaft und unter Beteiligung der lokalen
Fischereibetriebe alternative und schonende Fangmethoden und alternative
Einkommensmöglichkeiten wie Forschungs- und Umweltbildungsaufgaben zu
entwickeln.
3.) Fortführung der Runden Tische
Um mit den Fischer*innen vor Ort gemeinsam Wege zu finden, wie sich lokale
Krabben- oder Muschelfischerei umweltverträglicher gestalten lässt, sollten die
„Runden Tische“ mit Expert*innen aus Fischwirtschaft, Wissenschaft, NGOs und
Politik konsequent fortgeführt werden. Die Entscheidungen müssen sich an den
Realitäten der Biodiversitätskrise und der Klimakrise, aber auch an der Realität
der Fischer*innen vor Ort orientieren. Gemeinsames Ziel sollte hierbei der
konsequente Schutz der Biodiversität in Nord- und Ostsee sein. Gemeinsam sollen
Lösungen und Wege für eine zukunftsfähige und nachhaltige lokale Küstenfischerei
erarbeitet werden.
4.) Konsequente Umsetzung der bisherigen Managementpläne für marine
Schutzgebiete
Nicht nur an Land, sondern auch in den Meeren ist der Erhaltungszustand vieler
europäisch geschützter Arten und Lebensräume schlecht. Für die Natura2000-
Gebiete liegen Managementpläne vor, in denen die Maßnahmen aufgeführt sein
sollten, damit gute Erhaltungszustände erreicht werden. Bislang kommen die
meisten Managementpläne in Schleswig-Holstein dieser Aufgabe nicht nach. Es
werden in erster Linie Maßnahmen aufgeführt, damit sich der aktuelle (häufig
schlechte) Zustand nicht weiter verschlechtert. In vielen Plänen für marine
Gebiete werden als Maßnahmen lediglich freiwillige Vereinbarungen aufgelistet.
Diese sollten dann hinsichtlich ihres Erfolges überprüft werden. Falls der
gewünschte Erfolg sich durch die freiwilligen Vereinbarungen mit den
Nutzergruppen nicht nachweisen lässt, sollten verbindliche Maßnahmen formuliert
werden. Wir fordern, gemäß dem EU-Aktionsplan „Schutz und Wiederherstellung von
Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“
unverzüglich alle Managementpläne zu überarbeiten und verbindliche Maßnahmen zur
Besserung der Erhaltungszustände in den Schutzgebieten einzuführen. Das Thünen-
Istitut weist in einer aktuellen Publikation darauf hin, dass Einschränkungen
bei der Fischerei für eine Bestandserholung allein nicht mehr ausreichen.
Vielmehr muss das Nahrungsnetz an sich rehabilitiert werden. Das gelingt nur,
wenn man länderübergreifend alle Möglichkeiten ausschöpft, um die Überdüngung
der Ostsee in den Griff zu bekommen.
5.) Eintrag von Dolly Ropes in die Meeresumwelt stoppen
Dolly Ropes sind Kunststoffseile, die in der mobilen grundberührenden Fischerei
als Scheuerschutz für die Netze zum Einsatz kommen. Da sich die Dolly Ropes nach
einer Zeit von den Netzen ablösen und in die Umwelt gelangen, setzen wir uns für
einen geregelten Ausstieg ein. Langfristig müssen Netze so konstruiert sein,
dass Dolly Ropes nicht mehr gebraucht werden. Übergangsweise können Alternativen
zu Kunststoff-Dolly Ropes aus abbaubaren Materialien und innovative Netze mit
leichterem Bau oder weniger Bodenkontakten eine sinnvolle Lösung sein. Der
Ausstieg aus der Nutzung von Dolly Ropes muss EU-weit geregelt werden. Wir
appellieren an alle Amts- und Mandatsträger*innen von Bündnis 90/Die Grünen
Schleswig-Holstein, sich für eine solche Regelung einzusetzen.
Begründung
erfolgt mündlich
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